Virtuelle Freundschaften: Parasoziale Beziehungen bei Kindern verstehen und begleiten

Stell dir vor, dein Kind kennt die Lieblingsfarbe, den Tagesablauf und die neuesten Abenteuer einer Person, die täglich auf YouTube, TikTok oder Instagram postet – und fühlt sich dieser Person verbunden, als wäre sie eine enge Freundin. Genau das sind parasoziale Beziehungen: Einseitige Bindungen zu einem Influencer oder Prominenten, bei denen die Kinder und Jugendlichen das Gefühl entwickeln, mit diesem vertraut zu sein, obwohl die andere Seite nichts von ihnen weiß.

Diese „virtuellen Freundschaften“ sind längst keine Seltenheit mehr und werden mit der zunehmenden Nutzung sozialer Medien immer relevanter für den Familienalltag. Für Kinder und Jugendliche können sie eine ganz wichtige Rolle spielen – manchmal sogar eine größere als echte persönliche Freundschaften.

Woran erkennst du problematische parasoziale Beziehungen?

Es ist völlig normal, wenn dein Kind einem oder mehreren Influencern online folgt. Kritisch wird es jedoch, wenn dieses Interesse Überhand nimmt. Typische Warnsignale können sein:

  • Dein Kind spricht ständig von seinem Lieblings-Influencer, möchte alles über ihn wissen und imitieren.
  • Treffen mit echten Freunden oder gemeinsame Familienzeit werden weniger interessant.
  • Es gibt keine Lust mehr auf Hobbys, die nichts mit dem digitalen Vorbild zu tun haben.
  • Selbstzweifel und Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben entstehen, weil das Leben des Influencers als „perfekt“ erscheint.

Wenn dir so etwas auffällt, lohnt es sich, genauer hinzusehen und das Gespräch zu suchen.

Was sind die Risiken von parasozialen Beziehungen?

Dieser Trend kann verschiedene Herausforderungen mit sich bringen. Neben der bereits erwähnten Vernachlässigung echter Freundschaften gibt es weitere Risiken:

  • Isolation: Wer sich zu stark auf die Onlinewelt konzentriert, kann den Draht zu wichtigen Bezugspersonen verlieren.
  • Gestörtes Körperbild: Viele Influencer zeigen nur ihre Schokoladenseite oder nutzen Filter und Bildbearbeitung, was bei Kindern schnell zu unrealistischen Vorstellungen vom eigenen Aussehen führen kann.
  • FOMO (Fear of Missing Out): Die ständige Präsenz von scheinbar spektakulären Erlebnissen im Internet kann dazu führen, dass sich dein Kind ausgeschlossen fühlt oder denkt, sein eigenes Leben sei langweilig.
  • Manipulation und Werbung: Influencer verdienen oft Geld mit Werbung und Produktplatzierung. Viele Kinder erkennen nicht, wie gezielt sie zum Konsum verführt werden sollen.

Wie läuft Manipulation durch Influencer ab?

Von außen wirkt es oft harmlos: Der Lieblings-Youtuber schwärmt von einem neuen Spiel oder einer bestimmten Snackmarke. Doch was dein Kind selten sieht, ist, dass viele erfolgreiche Influencer mit Unternehmen zusammenarbeiten und für Lobeshymnen bezahlt werden. Sie setzen auf Sympathie und Vertrauen, damit ihre Follower – also auch dein Kind – eher bereit sind, empfohlene Produkte zu kaufen oder nachzuahmen.

Außerdem führen sympathische und schlau inszenierte Posts dazu, dass Jugendliche ihre eigenen Wünsche, Gefühle und Vorlieben mit denen der Vorbilder abgleichen. Nicht selten weckt das den Wunsch, genauso cool, beliebt oder „perfekt“ zu sein wie der Influencer. Das öffnet die Tür für ungesunde Vergleiche und Unsicherheiten.

Wie kannst du als Elternteil reagieren?

Ein offenes und ehrliches Gespräch ist der wichtigste Schritt. Frag dein Kind, warum es dem Influencer folgt, was es so spannend findet und wie es sich dabei fühlt. Bleib interessiert und wertschätzend, auch wenn du manches nicht nachvollziehen kannst. Streit oder Verbote helfen meistens eher wenig – Verständnis, Neugier und ein liebevoller Blick auf die Online-Welt deines Kindes dagegen schon.

Ihr könnt gemeinsam hinterfragen, wie realistisch die scheinbar perfekten Internetwelten sind. Schau dir zum Beispiel zusammen einen Post oder ein Video an und sprecht darüber: „Glaubst du, das sieht bei der Influencerin wirklich immer so aus?“ oder „Wie fühlt sich das für dich an, wenn du solche Geschichten siehst?“.

Bewusste Bildschirmzeit und gesunder Medienkonsum im Familienalltag

Setzt euch als Familie feste Medienzeiten und überlegt, was euch guttut. Dazu kann es helfen, echte Alternativen zu schaffen: Gemeinsame Aktivitäten, Ausflüge oder Spiele, die Spaß machen und den Familienzusammenhalt stärken. Wenn du selbst mit gutem Beispiel vorangehst und digitale Auszeiten einhältst, lernt auch dein Kind, dass nicht alles online stattfinden muss.

Versucht, Online-Aktivitäten in den Alltag zu integrieren, ohne dass sie ihn dominieren. Vielleicht gibt es Zeiten am Tag, in denen das Handy ganz beiseitegelegt wird – zum Beispiel beim Abendessen oder an den Wochenenden.

Tipps für ein harmonisches Miteinander trotz Social Media

  • Interesse zeigen: Lass dir von deinem Kind die Lieblings-Influencer, Apps oder Kanäle zeigen.
  • Bewusstsein schaffen: Erklärt gemeinsam, wie Werbung funktioniert und warum nicht alles im Internet wahr ist.
  • Freundschaften pflegen: Ermutige dein Kind, sich auch offline mit Freunden zu treffen oder an Gruppenaktivitäten teilzunehmen.
  • Vorbild sein: Lebe selbst reflektierten Medienkonsum vor und zeig, dass das Leben offline genauso spannend sein kann.
  • Grenzen setzen: Vereinbart Regeln für die Nutzung von Handy, Tablet & Co – gemeinsam, nicht von oben herab.
  • Stärken fördern: Unterstütze Hobbys, die nicht im Netz stattfinden, und lobe, wenn dein Kind Neues ausprobiert.

Fazit: Gemeinsam digitale Welten sicher entdecken

Parasoziale Beziehungen zu Influencern können im Leben deines Kindes eine Rolle spielen – das ist in unserer digitalen Welt einfach Realität. Wichtig ist, dass du achtsam, offen und ehrlich bleibst. Mit Verständnis, Dialogbereitschaft und festen, liebevoll gesetzten Spielregeln könnt ihr als Familie gemeinsam einen gesunden Umgang mit Social Media und Vorbildern aus dem Netz finden. So bleibt das Familienleben harmonisch, auch wenn die digitale Welt mit dabei ist.

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Über Nicole 143 Artikel
Nicole, Autorin seit der ersten Stunde, ist freiberufliche Hebamme mit eigener Praxis. Sie hat in Ihren 30 Jahren Berufserfahrung nichts erlebt, was es nicht gibt. Sie blickt auf einen sehr großen und tiefreichenden Erfahrungsschatz zurück, den sie hier mit euch teilt.